70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges: Jugendaustausch –Verständigung – gemeinsame Zukunft

Stiftung DRJA: Warum war es für Sie reizvoll, zur Eröffnung der deutsch-russischen Themenjahre zu sprechen?

Vladimir Rudakov: Ich glaube, der 70. Jahrestag des Sieges und der Beendigung des Zweiten Weltkriegs ist ein sehr wichtiges Datum, das Gesprächsstoff sowohl für die deutsche als auch für die russische Seite liefern könnte, unter anderem in Bezug auf die Entwicklung der Prozesse um das Gedächtnis an den Krieg. Da diese Prozesse mit den tagesaktuellen politischen Ereignissen verbunden sind, sind solche Gespräche heute sehr wichtig.

Stiftung DRJA: Welche Botschaft stand für Sie im Zentrum Ihres Vortrages?

Vladimir Rudakov: Die zentrale Botschaft besteht darin, zu zeigen, welche Transformationen das Gedächtnis an den Krieg in der Sowjetunion und in Russland durchlaufen hat und die Frage, unter dem Einfluss welcher Faktoren dieses Gedächtnis heute gestaltet wird.

Stiftung DRJA: Was denken Sie, welche sind die größten Herausforderungen an die Akteure im deutsch-russischen Jugendaustausch, wenn das gemeinsame Erinnern an den Zweiten Weltkrieg im Zentrum der Zusammenarbeit steht?

Vladimir Rudakov: Ich glaube, im Zentrum steht hier die Tatsache, dass in den letzten Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten, mehrere Ansätze zur Auswertung der Ergebnisse des Krieges neu aufgefasst werden. Es werden die Rolle und die Position der Teilnehmer an diesem Krieg neu definiert, und das ist eine sehr gefährliche Tendenz, mit deren Folgen wir vielerorts zu tun haben. Ich glaube, dass die Teilnehmer an solch einem deutsch-russischen Dialog ihre Position dazu sehr genau verorten und wissenschaftlich begründen müssen, ohne sich in Spekulationen zu vertiefen und ohne es den Politikern und Vertretern der Öffentlichkeit zu erlauben, sich diesen politisch- und konjunkturbedingten Spekulationen zum Thema Ende des Zweiten Weltkrieges herzugeben.

Stiftung DRJA: Was raten Sie den Akteuren, wie können sie mit diesen Herausforderungen umgehen?

Vladimir Rudakov: Ich denke, als Allererstes sollte man davon ausgehen, dass das Erinnern an den Krieg ein gemeinsames Allgemeingut aller europäischen Völker ist und dass die Versuche, dieses Gedächtnis zu verwaschen, es der aktuellen politischen Konjunktur zuliebe auf den Kopf zu stellen, schwerwiegende Probleme für Europa bedeuten würden, auch wenn es etwas befremdlich klingt. Diese Probleme könnten unter Anderem in Forderungen nach Neuaufteilung europäischer Grenzen münden, was, wie Sie verstehen, sehr gefährliche Folgen für die Region und den Kontinent haben kann. Deshalb sollten die Teilnehmer eines solchen Dialogs jedes Mal den Menschen, der Öffentlichkeit in Russland, Deutschland und anderen Ländern, unter anderem in den neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die oftmals noch größere Europäer als traditionelle Europäer sein wollen, erklären, dass Spiele mit Geschichte eine sehr gefährliche Sache sind und Beispiele geben, wozu es in Vergangenheit geführt hat.

Stiftung DRJA: Was wären aus Ihrer Sicht Themen oder Zugänge, die Jugendliche für die Beteiligung  an den Themenjahren begeistern und motivieren könnten?

Vladimir Rudakov: Ich glaube, die Jugendlichen müssten verstehen, dass in der Periode, über die wir sprechen, unübertrieben über das Schicksal der Menschheit entschieden wurde. Die Jugendlichen müssen wissen und verstehen, wie die Menschen in jener Zeit gelitten haben und einsehen, dass dies eine Zeit der Heldentaten war. Heldentum und Heldentaten sind für die Jugend immer attraktiv; es ist nur wichtig, dass sie verstehen, auf welcher Seite wir mit den Helden zu tun hatten und auf welcher umgekehrt.