Grundlagen zum deutsch-russischen Jugendaustausch:
Ich als Projektleitung - Rolle und Ziele

Meine Rolle als Projektleitung 

Bettina Sieber und Britta Niehoff

In Russland gibt es die schöne Tradition, sich vor dem Aufbruch zu einer Reise noch einmal kurz auf die gepackten Koffer zu setzen und innezuhalten für zwei Minuten des Nachdenkens und der Besinnung: Wo komme ich her, wo will ich hin? Habe ich an alles gedacht? Auch als verantwortliche Projektleitung sollten Sie sich die Zeit für eine Selbstreflexion nehmen.

Bevor es losgeht: Was ist mein Ausgangspunkt?

Diese Fragen zu Ihren persönlichen Zielen und Kompetenzen können Ihnen bei Ihren Überlegungen helfen.

  • Warum möchte ich ein Begegnungsprojekt durchführen und leiten? Was sind meine Ziele – für die Teilnehmenden, für mich, für meine Organisation/Schule und vielleicht auch für die Gesellschaft?
  • Was verspreche ich mir persönlich davon, neue Kontakte in Russland zu knüpfen? Will ich meiner Schule etwas Gutes tun? Macht es mich glücklich, an alte Erfahrungen mit Land und Leuten anzuknüpfen? Will ich etwas für mich völlig Neues ausprobieren? Oder gar alles zusammen?
  • Habe ich schon Erfahrung durch frühere Projektleitungen und kann diese nutzen? Bringe ich die notwendigen Fähigkeiten mit?
  • Kann ich mein Umfeld für die Projektidee begeistern?
  • Wie kann ich Unterstützung durch ein harmonisches Team erhalten? Wie trage ich zum Gelingen der Teamarbeit bei?
  • Möchte ich das Leitungsteam zu meiner Unterstützung um Fachleute, die z.B. Sport-, Chor- oder Theatererfahrung besitzen, erweitern?
  • Ist die Verständigung hier wie dort sichergestellt? Spreche ich ausreichend Russisch oder kann ich darauf vertrauen, dass jederzeit ausreichend übersetzt werden kann?
  • Welche Art von Projekt möchte ich durchführen und welche Teilnehmerinnen und Teilnehmer möchte ich hierfür ansprechen?
  • Welche Vorgaben und welche Freiheiten habe ich bei der Projektorganisation?

Wenn Sie Ihren Handlungsspielraum abschätzen können und sich mithilfe dieser Fragen über Ihre Motivation, Möglichkeiten und Ziele klargeworden sind, die Sie mit dem Projekt verfolgen, können Sie die nächsten Schritte planen: Mitstreiterinnen und Mitstreiter ansprechen, Ihre Vorgesetzten für Ihre Idee begeistern, Teilnehmende für den Austausch werben und Organisatorisches wie z.B. Finanzen, Visa oder Reisedaten klären. Wenn Sie diese Fragen für sich beantwortet haben, können Sie in die aufregende Projektphase starten.

Teilnehmende setzen sich vor der Abreise kurz hin

Der Rahmen ist abgesteckt – was ist mit den Teilnehmenden?

Jugendaustausch ist eine Lerngelegenheit für die Teilnehmenden: Sie sollen Erfahrungen machen können, die sie in ihrer Persönlichkeit bereichern, Denkprozesse anstoßen und lange nachwirken. Um das zu erreichen, sollten Sie zunächst die unterschiedlichen Voraussetzungen und Wissensstände der Teilnehmenden klären. So können Sie auf Ihre Teilnehmenden abgestimmte Lernziele entwickeln und die Lernprozesse nach Kräften fördern und unterstützen. Versuchen Sie, mit den Augen der Gruppenmitglieder auf die Begegnung zu schauen. Wenn Sie noch keine Teilnehmenden gefunden haben, führen Sie sich Ihre Zielgruppe bei der Beantwortung der folgenden Fragen vor Augen.

  • Was motiviert die Jugendlichen zu ihrer Teilnahme – die Aussicht, ein fremdes Land bzw. neue Leute kennenzulernen oder das Thema der Begegnung?
  • Über welche Sprachkenntnisse verfügen die Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer und haben sie grundlegendes Wissen über das Partnerland, um mit den Austauschpartnerinnen und –partnern in Kontakt zu treten?
  • Mit welchen Bildern in ihren Köpfen brechen die Gruppenmitglieder auf bzw. empfangen sie ihre Gäste? Haben sie familiäre Wurzeln in Russland, kennen sie es nur aus der Medienberichterstattung oder haben sie sich im Vorfeld intensiver mit der Geschichte und dem Leben dort auseinandergesetzt?
  • Ist es für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein erster Kontakt mit Russland? Wer von ihnen war bereits dort?

Nach der Reise sollten Sie dann mit den Teilnehmenden das Erlebte reflektieren.

  • Inwiefern haben sich meine Erwartungen in Bezug auf Russland erfüllt bzw. nicht erfüllt? Was hat mich überrascht?
  • Ist das tägliche Leben in Russland noch so wie es von Eltern und Großeltern berichtet wurde? Welche Veränderungen konnte ich beobachten?
  • Wie unterscheidet sich das Leben in Russland und Deutschland voneinander? Wo liegen Gemeinsamkeiten? Wie hat sich das auf die Gruppe während der Begegnung ausgewirkt?
  • Habe ich Freunde gefunden, mit denen ich auch nach dem Projekt Kontakt halte?
  • Inwiefern hat mir die Arbeit am gemeinsamen Projekt bzw. Thema dabei geholfen, leichter in Kontakt mit den russischen Partnern zu treten?
  • Habe ich sprachliche Fortschritte gemacht?
  • Was verändert sich fortan in meinem alltäglichen Leben zu Hause?
  • Möchte ich noch einmal an einem Austauschprojekt mit Russland teilnehmen oder nach Russland fahren?

Hast du Worte? Was während der Begegnung passieren kann

Projektleiterin reflektiert sich

Als Projektleitung versuchen Sie ständig, allen Formalitäten und Herausforderungen gerecht zu werden. Trotzdem vergessen Sie immer wieder etwas. Damit das nicht passiert, haben wir die wichtigsten Dinge im Kapitel „Formales“ zusammengefasst.

Als Projektleitung sind Sie nicht nur für Programm, Formalitäten und die Sorge für Unterkunft und Verpflegung zuständig, sondern in besonderem Maße auch Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner für das Wohlergehen der Projektteilnehmenden. Seien Sie ansprechbar für jegliche Fragen und Sorgen; scheuen Sie sich nicht, auch selbst einmal nachzuhaken, ob alles in Ordnung ist.

Bereiten Sie sich darauf vor, dass Sie als Leitung die Gruppe repräsentieren. Überlegen Sie sich für verschiedene Gelegenheiten wie Begrüßung und Verabschiedung, öffentliche Auftritte und Überreichung von Gastgeschenken schon einmal, wie Sie diese Anlässe gestalten wollen und was Sie sagen könnten. Vielleicht beziehen Sie Ihre Teilnehmenden in diese Aufgaben mit ein und bereiten sie zweisprachig vor.

Trotz aller Verantwortung, die Sie tragen, und trotz aller Mühe, die mit der Begegnung verbunden ist, wartet viel Schönes auf Sie. Sie werden tolle Momente der Anerkennung und Dankbarkeit seitens der Teilnehmenden erleben, denn niemand kehrt von einem Austauschprojekt so zurück wie sie oder er aufgebrochen ist.

 

Dr. Bettina Sieber und Britta Niehoff unterrichten an der Johann-Philipp-Bronner-Schule in Wiesloch. Seit 2018 leiten sie einen deutsch-russischen Austausch. Offenheit, Toleranz und gegenseitiges Verständnis anzubahnen ist für sie eines der schönsten und wichtigsten Ziele dieser Arbeit.

Kontakt

Da bei der Antragstellung viel zu beachten ist, scheuen Sie sich nicht, Kontakt zu den zuständigen Ansprechpartnerinnen und –partnern aufzunehmen und nachzufragen.

Wissenswertes und Tipps:
 

Man kann relativ schnell lernen, das kyrillische Alphabet zu lesen. Dies hilft schon viel, um z.B. Straßenschilder, Hinweise und Informationen zu verstehen. Einen guten Einstieg in die Sprache und den russischen Alltag gibt das Glasok (auch für Android und iOS)

Eine Dokumentation des Austausches (in Form eines gemeinsamen Fotobuchs, Films, Feedbacks etc.) hilft vielen Teilnehmenden, sich an diese besondere Zeit zu erinnern. Die Erstellung kann auch eine Aufgabe im Rahmen des Projekts sein. Gleichzeitig ist so eine Dokumentation auch zur Werbung für kommende Begegnungen nützlich. Denken Sie dabei daran, Bild- und Fotorechte vorher einzuholen. 

Die Evaluierung Ihrer Begegnung hilft Ihnen bei der Weiterentwicklung der Austauschprogramme. Dabei sollten Sie sowohl organisatorische Fragen (wie Aufbau des Programms, Unterkunft, Verpflegung) als auch inhaltliche Fragen (zu Thema und Ausgestaltung des Projekts) und Anregungen zur Selbstreflektion der Teilnehmenden miteinander verbinden. Hinweise auf Tools zur Evaluierung finden Sie in der Praxishandreichung auf folgender Seite: