"Argumentation pro Austausch funktioniert"

Rückblick auf einen spannenden Diskussionsabend

Unter dem Motto „Don’t mention the war“ luden die Stiftung DRJA, Arbeit und Leben Hamburg und der Verein MitOst Hamburg am 25. Mai 2023 zum Diskussionsabend ein. Mit vier Expertinnen und Experten sowie dem Publikum wollten wir darüber ins Gespräch kommen, welche Bedeutung der Krieg für die Zusammenarbeit mit russischen Partnern hat und ob bzw. wie die Thematisierung von Krieg und Frieden in der Partnerschaft und der Arbeit mit Jugendlichen möglich ist.

Die vier Talkgäste an diesem Abend, Benjamin Bidder (Der Spiegel), Marija Ruzhitzkaya (DRJUG e.V. ), Stefan Melle (Austausch e.V.) und Dr. Regina Heller (Institut für Friedens- und Konfliktforschung Hamburg), brachten dazu jeweils sehr unterschiedliche Hintergründe und Perspektiven mit, und zwar als Journalist, der viele Jahre in Russland gelebt und gearbeitet hat, als Mitbegründerin eines deutsch-russischen Jugendvereins, als Geschäftsführer einer in Osteuropa tätigen NGO, die seit zwei Jahren in Russland verboten ist und als Friedensforscherin.

Natürlich lieferte die Diskussion keine fertigen Antworten auf die aufgeworfenen Fragen, aber sie machte nochmals deutlich, dass Jugendaustausch etwas bewirken kann und in der Vergangenheit auch hat. Deshalb ist es gerade jetzt wichtig, die Räume für Austausch offen zu halten. Benjamin Bidder betonte, dass für ihn die Argumentation pro Austausch außer Frage stünde. Denn Umfragen hätten immer wieder gezeigt, dass die Generation der unter 40-Jährigen, also derjenigen, die unter Putin aufwuchsen und die Möglichkeiten zu internationalen Erfahrungen hatten, positiver zu Europa eingestellt seien als der Rest.

Für Stefan Melle stellte sich die Frage, welche Begegnungsmöglichkeiten in den nächsten Jahren im deutsch-russischen Austausch zur Verfügung stünden. Dabei halte er vor allem digitale Räume für relevant, weil diese -noch- für alle zugänglich seien. Hinsichtlich der Frage, welche Rolle Sicherheitsbedenken beim Austausch oder Kontakt mit russischen Partnern spielen sollten, merkte Marija Ruzhitzkaya an, dass sich viele Russinnen und Russen, die auch in der Vergangenheit international aktiv waren, der bestehenden Risiken sehr bewusst seien und die aktuellen Gesetzesänderungen aufmerksam verfolgen würden. Stefan Melle ergänzte dazu, dass trotz des Verbotes seiner Organisation in Russland, viele Menschen dort an einer Zusammenarbeit festhalten wollten. 

Einigkeit herrschte dahingehend, dass man mit den Menschen in Russland im Gespräch bleiben müsse, und zwar auch mit jenen, die eine andere Meinung zum Krieg vertreten würden. Dies sei vor allem vor dem Hintergrund wichtig, dass aktuell in Russland eine Ideologisierung der Kinder und Jugendlichen in den Schulen erfolge, die deren Haltung zunehmend verändern werde, betonte Regina Heller.

Auf die Frage, ob und wie Verständigung mit extrem polarisierten Positionen gelingen könne, verwies Regina Heller auf den Bereich der konstruktiven Konfliktbearbeitung und Konflikttransformation, in dem in den letzten Jahren hilfreiche Aspekte und Ansätze zum Umgang mit Konflikten auf der zwischenmenschlichen Ebene entwickelt wurden. Zudem wisse man aus der konstruktiven Konflikttransformation, dass es wichtig sei, zukunftsgerichtete Narrative zu entwickeln. 

Eine Perspektive für den Austausch mit Russland könne es für Stefan Melle geben, wenn die Realitäten anerkannt, aber trotzdem nach Wegen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Begegnung gesucht würden. Eine Beteiligung russischer Jugendlicher halte er im Moment nur an multilateralen Projekten an Drittorten für sinnvoll. Weil dann das Treffen einer jungen Generation mit verschiedenen Hintergründen stärker im Fokus stünde als im bilateralen Kontext. Dadurch wäre es z.B. auch leichter bestimmte Themen zu besprechen.

Einen Zusammenfassung des Veranstaltungsmitschnittes finden Sie auf unserer Website und auf unserem Youtube-Kanal.

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