Astrid Nebelung
Internationale Jugendarbeit, Jugendaustausch, Jugendbegegnung… Es gibt viele Bezeichnungen für die gemeinsame Projektarbeit junger Menschen aus verschiedenen Ländern. Einen Überblick über Begriffe, ihre Bedeutung und verschiedene Formen von Austauschprojekten gibt das folgende Kapitel.
Internationale Jugendarbeit bezieht sich – als Oberbegriff verstanden – auf die Arbeit mit jungen Menschen aus mindestens zwei unterschiedlichen Herkunftsländern, die im gegenseitigen Kontakt wichtige Erfahrungen sammeln können. Dabei wird nicht zwingend grenzüberschreitend gearbeitet. So kann es sich dabei z. B. auch um längerfristige Stadtteilarbeit handeln, die Angehörige verschiedener Herkunftskulturen verbindet.
Es gibt sehr unterschiedliche Vorstellungen über die Ziele und Inhalte Internationaler Jugendarbeit. Von politischer Seite wird hervorgehoben, dass Internationale Jugendarbeit einen Beitrag zur guten Nachbarschaft zwischen Staaten leistet und die jugendpolitische Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen voranbringt. Aus pädagogischer Sicht werden hingegen individuelle Lern- und Bildungsmöglichkeiten für die beteiligten Jugendlichen betont.
Bei internationalen Jugendbegegnungen und beim Jugendaustausch wird hingegen immer grenzüberschreitend gearbeitet. In den meisten Fällen finden diese Projekte für einige Tage in einem der Länder statt, aus dem ein Teil der teilnehmenden Jugendlichen kommt. Meist dauert ein solches Projekt nicht mehr als zwei bis drei Wochen. Häufig bleiben die Teilnehmenden aber über die gemeinsam verbrachte Zeit hinaus in Kontakt und sehen sich ggf. im Partnerland zu einem späteren Zeitpunkt wieder.
Neben binationalen (z.B. deutsch-russischen) gibt es tri- und multilaterale Begegnungen. Unabhängig von der Zahl der beteiligten Partner erhalten Jugendliche und junge Erwachsene die Möglichkeit, ein oder mehrere andere Länder durch den direkten Kontakt zu Gleichaltrigen kennen zu lernen. Dadurch werden verschiedene Formen des Lernens gefördert. Hierbei stehen vor allem soziale, emotionale und moralische Aspekte im Vordergrund.
Darüber hinaus repräsentieren die Teilnehmenden eines Austauschs auch immer ihr Land, wodurch sich die Jugendlichen zusätzlich mit ihrer eigenen Identität auseinandersetzen müssen. Sie können so ganz neue Aspekte der eigenen Herkunft entdecken und neue Rollen erproben. Das kann gerade bei Jugendlichen, die sich sonst als marginalisiert empfinden, große Veränderungen in der Selbstwahrnehmung anstoßen.
Häufig sind Jugendbegegnungen für die Teilnehmenden im Ausland attraktiver als im eigenen Land. Meist stellen die Jugendlichen erst nach der Begegnung fest, wie viel sie auch zu Hause über die Gäste und das Partnerland lernen konnten. Die größte Überraschung dürften aber die vielen neuen Erkenntnisse über das eigene Land, sich selbst und bisher als selbstverständlich Wahrgenommenes sein. Das sollten Sie bei der Vorbereitung mit einkalkulieren und nutzen, wenn Sie Teilnehmende für das eigene Projekt suchen.
Manchmal wird der Begriff „Jugendaustausch“ auch für eine längerfristige Partnerschaft verwendet, in dessen Rahmen immer wieder Begegnungen in den beteiligten Partnerländern stattfinden. Lassen Sie sich dadurch nicht verwirren!
Projekte des internationalen Jugendaustauschs können anhand unterschiedlicher Merkmale unterschieden werden: Anhand von Themen und damit zusammenhängenden Zielgruppen von Austauschprojekten ergibt sich eine grobe Einteilung.
Bei neuen Partnerschaften ohne eine von vornherein feststehende Teilnehmendengruppe steht häufig das Kennenlernen der Jugendlichen untereinander sowie von Land und Leuten im Mittelpunkt der Begegnung. Die Organisatorinnen bzw. Organisatoren erwarten, damit das Interesse vor allem jüngerer Jugendlicher zu wecken. Es ist immer sinnvoll, gemeinsam mit den Jugendlichen das Programm zu planen und ein Thema für die Begegnung festzulegen. Dieser rote Faden kann eine Hilfe für die Teilnehmenden sein, sich im Programm zurechtzufinden und nach der Begegnung ihre Erlebnisse zu reflektieren.
Wenn Partnerorganisationen schon länger zusammenarbeiten, tritt der rote Faden häufig stärker in den Vordergrund: Die Teilnehmenden arbeiten während der Begegnung gemeinsam an einem konkreten Projekt. Dabei kann sich das Thema aus gemeinsamen Interessen der deutschen und russischen Teilnehmenden herleiten (wie z.B. bei Theatergruppen oder Sportvereinen) oder im Rahmen der gemeinsamen Vorbereitung gefunden werden. So erstreckt sich die Projektbandbreite von politischen über umweltbezogenen hin zu geschichtlichen oder sozialen Inhalten. Wie die Jugendlichen das Thema bearbeiten, kann dabei ganz individuell mit ihnen abgesprochen werden, ist aber auch gleichzeitig von den (technischen) Möglichkeiten abhängig, die zur Verfügung stehen.
Bei Workcamps treffen sich junge Menschen, die ein anderes Land und dessen Menschen gern durch praktische Arbeit kennen lernen möchten. Während der Workcamps entstehen z. B. neue Spielplätze, Wanderwege, Fotoausstellungen oder es werden Gedenkstätten gepflegt. In den meisten Fällen ist der Arbeitseinsatz auch mit passenden thematischen Einheiten verbunden. So können die Jugendlichen z. B. bei einem Workcamp in einer Gedenkstätte oder auf einem Friedhof mehr über die Geschichte und die Politik beider Länder erfahren.
Bei Fachkräftebegegnungen treffen sich keine Jugendlichen, sondern Fachkräfte, die im Bereich der Jugendarbeit bzw. Jugendhilfe tätig sind. Insofern handelt es sich zwar nicht um Jugendaustausch, Fachkräfteaustauschprojekte sind jedoch Teil der Internationalen Jugendarbeit. Häufig treffen sich Multiplikatoren, die eine Partnerschaft ins Leben rufen oder eine Jugendbegegnung gemeinsam vorbereiten wollen. Auch bei Jugendleiterschulungen, die im binationalen Kontext durchgeführt werden, handelt es sich um Fachkräftebegegnungen.
Freiwilligendienste haben einige Ähnlichkeiten mit Workcamps (Workcamps werden auch als kurzfristige Freiwilligendienste bezeichnet). Auch hier geht es nicht um das touristische Kennenlernen eines anderen Landes, sondern um die freiwillige Arbeit im Ausland. Der Dienst dauert aber wesentlich länger, in der Regel bis zu einem Jahr. Allerdings findet kein Austausch im Sinne von gegenseitigem Kennenlernen bei gemeinsamer Arbeit statt. Zwar ist eine Entsendeorganisation auch gleichzeitig Aufnahmeorganisation. Die Freiwilligen treffen sich aber in der Regel nicht, da sie jeweils zur gleichen Zeit im Ausland sind. Dafür lernen sie bei obligatorischen Seminaren während des Dienstes weitere Freiwillige aus anderen Ländern kennen.
Astrid Nebelung ist Referatsleiterin für Förderung und Qualifizierung in der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch. Seit 2001 arbeitet sie im Bereich der öffentlichen Förderung und hat Erfahrung mit verschiedenen Förderprogrammen. Sie ist der Meinung, dass die Angst vor Formularen und Zahlen unberechtigt ist und es sich lohnt, sich einfach zu trauen!
Es gibt Organisationen, die Freiwilligentandems in ihren Projekten einsetzen. So arbeiten z.B. bei Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V. Freiwillige aus Deutschland und Polen gemeinsam in Projekten in Großbritannien, Freiwillige aus der Ukraine und Deutschland in Projekten in Polen.
Wer sich für die Entwicklung der Internationalen Jugendarbeit interessiert, dem sei als Einstieg der Artikel von Andreas Thimmel empfohlen:
Er geht auf Begrifflichkeiten wie Völkerverständigung und interkulturelles Lernen und damit zusammenhängende (politische) Zielvorstellungen ein.