Astrid Nebelung
Vor dem Start in die Planung einer deutsch-russischen Jugendbegegnung lohnt sich ein Blick auf die Rahmenbedingungen: Wer koordiniert eigentlich die Jugendarbeit? Wie arbeiten die unterschiedlichen Akteure zusammen? Wer unterstützt Jugendaustausch? Im Folgenden ein kurzer Überblick dazu.
Die gesetzliche Grundlage der Jugendarbeit in Deutschland – auch Kinder- und Jugendhilfe genannt – bildet das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG). Darin wird zwischen Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen unterschieden. Als Kind gilt demnach, wer noch nicht 14 Jahre alt ist und als Jugendlicher, wer älter als 13 und noch nicht 18 Jahre alt ist. Junge Volljährige sind mindestens 18 und noch nicht 27 Jahre alt. Somit definiert das KJHG alle Personen unter 27 Jahren als „junge Menschen“ und damit als Zielgruppe der Jugendarbeit. In der Europäischen Union hingegen wurde die Altersgrenze für Jugendprojekte in vielen Fällen auf 30 Jahre angehoben.
Durch Angebote der Jugendarbeit sollen junge Menschen in ihrer persönlichen und sozialen Entwicklung gefördert werden. Konkreter gefasst ist es das Ziel, junge Menschen in ihrer Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu unterstützen, ihr Bewusstsein gesellschaftlicher Mitverantwortung zu stärken und soziales Engagement anzuregen. Daraus ergibt sich, dass sich Jugendarbeit nicht nur an Jugendliche richtet, sondern zugleich auch von Jugendlichen mitbestimmt und gestaltet werden soll.
Es ist wichtig, dass bei der Vorbereitung einer Jugendbegegnung im deutsch-russischen Leitungsteam auch konkret über das Alter eurer Zielgruppe gesprochen wird. Zu beschließen, dass Jugendliche teilnehmen, reicht nicht aus und kann zu Missverständnissen führen. Wenn z. B. auf russischer Seite junge Menschen bis 30 Jahre teilnehmen, jedoch die Förderer auf deutscher Seite eine andere Altersgrenze bestimmt haben, können ungenaue Absprachen dazu führen, dass Fördermittel verloren gehen.
In der Praxis wird die Jugendarbeit in Deutschland von den sogenannten freien Trägern koordiniert und umgesetzt. Dabei wird zwischen öffentlichen (staatlichen) und freien (nichtstaatlichen) Trägern der Jugendhilfe unterschieden. Beide stehen in einem engen Verhältnis zueinander, da die freien Träger auf ihrer jeweiligen Ebene (kommunal, regional oder bundesweit) von den öffentlichen Trägern beraten und zum Teil finanziert werden.
In den Jugendverbänden in Deutschland (die zu den freien Trägern gehören) engagieren sich Kinder und Jugendliche mit ihren Wünschen, Sorgen und Interessen, unterschiedlichen Fähigkeiten und Perspektiven. Häufig sind diese in Landesjugendringen zusammengeschlossen. Auf Bundesebene nimmt die Interessenvertretung der Jugendverbände und Landesjugendringe der Deutsche Bundesjugendring wahr.
Auf Bundesebene liegt die Gestaltung der Kinder- und Jugendpolitik beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Das Ministerium unterstützt die bundeszentralen freien Träger und fördert unter anderem die politische, kulturelle und sportliche Jugendbildung sowie den internationalen Austausch. Um als freier Träger anerkannt zu werden, muss er gesetzlich vorgeschriebene Kriterien erfüllen. Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe umfasst dies die mindestens dreijährige Tätigkeit in der Jugendhilfe, das Verfolgen gemeinnütziger Ziele sowie die fachliche und personelle Voraussetzung zur Erfüllung der Aufgaben in der Jugendhilfe.
Regierungen vieler Länder schließen untereinander Partnerschaftsabkommen zur Unterstützung und Förderung des Jugendaustauschs. Die Regierungen möchten damit das bessere Verständnis fremder Kulturen sowie die Völkerverständigung fördern und dazu beitragen, dass Jugendliche das gesellschaftliche Leben aktiv mit gestalten.
Deutschland und Russland haben im Jahr 2004 ein Partnerschaftsabkommen zur Förderung des deutsch-russischen Jugendaustauschs geschlossen, aus dem die Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch auf deutscher Seite und das Russische Nationale Koordinierungsbüro für die Jugendzusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland auf russischer Seite hervorgegangen sind. Sie fördern den Jugendaustausch nicht nur finanziell, sondern bieten allen Interessierten auch umfangreiches Informationsmaterial über das jeweilige Partnerland und beraten bei der Partnersuche sowie der Organisation von Begegnungen.
Am 21.12.2004 wurde in Schleswig das „Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über jugendpolitische Zusammenarbeit“ unterzeichnet. Darin wird die Bedeutung des Jugendaustauschs zwischen den beiden Ländern hervorgehoben und vereinbart, in welcher Weise die Zusammenarbeit beider Länder auf jugendpolitischer Ebene organisiert werden soll. Das Abkommen auf Russisch und Deutsch ist hier zu finden.
Nicht nur Regierungen schließen Verträge über die Zusammenarbeit. Auch in Partnerschaften zwischen Vereinen oder Schulen, die auf längere Zeit angelegt sind, ist es nicht unüblich ebenfalls einen Partnerschaftsvertrag abzuschließen. So wissen beide Seiten, über welche Möglichkeiten der jeweilige Partner verfügt und welche gemeinsamen Interessen bei der Durchführung von Projekten bestehen.
Astrid Nebelung ist Referatsleiterin für Förderung und Qualifizierung in der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch. Seit 2001 ist sie im Bereich der internationalen Jugendarbeit tätig und kennt diese inzwischen recht gut.
Freie Träger sind z. B. gemeinnützige Vereine, Gesellschaften oder Verbände, die in der Jugendarbeit, Sozial- und Jugendhilfe tätig sind. Je nach ihrer Ausrichtung bieten sie außerschulische Aktivitäten für Kinder und Jugendliche an, führen Projekte wie Kinderferienfreizeiten durch, unterhalten Einrichtungen wie Jugendclubs oder bieten Beratung zu unterschiedlichen sozialen Themenbereichen an. Zu den besonders bekannten freien Trägern gehören z. B. die Deutsche Sportjugend, die Pfadfinderverbände, das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die SOS-Kinderdörfer sowie die Diakonie.
Zu den öffentlichen Trägern zählen hingegen Einrichtungen der Gemeinden, Landkreise, der Bundesländer sowie auf bundesweiter Ebene. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe werden durch Landesrecht bestimmt, daher spielen die Bundesländer hier ebenfalls eine wichtige Rolle.
Die Zuständigkeit zwischen den unterschiedlichen Ebenen des Jugendhilfesystems wird durch das Subsidiaritätsprinzip geregelt. Demzufolge sind zuerst untergeordnete, lokale Glieder wie freie Träger auf Ortsebene, die Stadt, Gemeinde oder Kommune für die Umsetzung der Jugendhilfe zuständig. Träger auf übergeordneter Ebene werden erst aktiv, wenn Aufgaben nicht von untergeordneten Einrichtungen gelöst oder übernommen werden können.
Öffentliche und freie Träger sollen partnerschaftlich zusammenarbeiten, wobei die öffentliche Jugendhilfe für die Jugendhilfe insgesamt verantwortlich und zur ideellen und finanziellen Unterstützung der freien Träger verpflichtet ist. Gleichzeitig gilt das Subsidiaritätsprinzip auch zugunsten von freien Trägern, d. h. wenn diese Aufgaben der Jugendhilfe übernehmen können, haben sie den Vorrang vor der öffentlichen Jugendhilfe.