Grundlagen zum deutsch-russischen Jugendaustausch:
Forschung - Formen - Methoden

Schulischer Austausch und Schulpartnerschaften

Bernd Böttcher 

Schüleraustausch kennt doch jeder – oder? Eine Klassenreise nach Moskau oder Wolgograd, ein Jahr an einer Schule in St. Petersburg … Bei näherer Betrachtung sind das sehr unterschiedliche Abenteuer. Wie kann man also den Begriff fassen und wie ist so ein Austausch gestaltet?

Was ist schulischer Austausch?

Spielerischer Austausch im Rahmen der Schulen

Unter internationalem schulischem Austausch verstehen wir Aktivitäten, die es sich zum Ziel setzen, Schülerinnen und Schülern aus verschiedenen Ländern eine unmittelbare Begegnung und gemeinsame Interaktionen zu ermöglichen. Neben den kurzfristigen, oft gegenseitigen Besuchen einzelner Gruppen (z.B. bei einer Schulpartnerschaft), längerfristigen individuellen Gastschulaufenthalten im Ausland oder der Aufnahme von Gastschülerinnen und -schülern in Deutschland zählen wir auch Lehrkräfteaustausche dazu. Die Austauschbegegnungen von Schülerinnen und Schülern verfolgen vorab festgelegte Ziele und werden pädagogisch begleitet.  

Durch Projekte im internationalen schulischen Austausch, die das Format des Lernens in der Schule aufbrechen, erhalten Kinder und Jugendliche die Gelegenheit, wichtige interkulturelle, persönliche, fachliche und sprachliche Kompetenzen zu erwerben und zu erweitern.  

 

Hinweis:

Auch wenn der Begriff Schüleraustausch treffend und gebräuchlich ist, sprechen wir hier stattdessen von schulischem Austausch. Als Oberbegriff umfasst er sowohl Begegnungen von Schülerinnen und Schülern als auch den Fachkräfteaustausch und z.B. Lehrkräftehospitationen. Ebenso ist eine Schulpartnerschaft als langjährige, partnerschaftliche Kooperation der beiden Schulen als Form eines schulischen oder Schulaustausches zu betrachten.

Wie wirkt schulischer Austausch?  

  • Häufig und traditionell wird die Verbesserung von Fremdsprachenkenntnissen als wichtiges Ziel internationaler Begegnungen angesehen. Doch gerade auch der projektbezogene Austausch bietet die Gelegenheit, einen Auslandsaufenthalt unabhängig vom Fremdsprachenunterricht bzw. ohne Kenntnisse in der Sprache des Partnerlandes zu gestalten. Bei Begegnungsprojekten, die z. B. Sport, kulturelle oder naturwissenschaftliche Themen in den Mittelpunkt stellen, erfahren Schülerinnen und Schüler, dass Verständigung mehr bedeutet als Fremdsprachenkompetenz.  
  • Internationale Partnerschaften haben i. d. R. einen positiven Einfluss auf das Schulklima und tragen zur Schärfung des Schulprofils und zur Attraktivität einer Schule bei.
  • Innerhalb einer Klasse oder Lerngruppe, die an einem Austauschprojekt teilnimmt, verändern die gemeinsamen Erfahrungen das Beziehungsgefüge.  
  • Lehrkräfte lernen das Schulsystem der Partnerländer vor Ort kennen und bauen häufig dauerhafte persönliche Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen an der Partnerschule auf.

Welche Formate gibt es im schulischen Austausch? 

Unterschieden wird zwischen individuellem Schüleraustausch und Austauschbegegnungen in Gruppen. Gruppenaustausche – etwa von Klassen oder kleineren Gruppen – sind meist kurzfristig angelegt, da sie in den Schulalltag integriert werden müssen. Der individuelle Schüleraustausch ist hingegen oft längerfristiger – bis zur Dauer von einem ganzen Schuljahr. 

Die Programme des individuellen Schüleraustauschs fallen sehr unterschiedlich aus. Es gibt Programme, die Gegenseitigkeit verbindlich vorgeben und bei denen Austauschschülerinnen bzw. -schüler für eine bestimmte Periode die Schule am Ort des jeweils anderen besuchen. In anderen Programmen ist dagegen die Aufnahme ausländischer Gastschüler*innen in der Familie freiwillig oder gänzlich unabhängig vom eigenen Auslandsschulaufenthalt.  

Gruppenaustausche finden oft im Rahmen von Schulpartnerschaften statt. Das sind längerfristig angelegte internationale Bildungskooperationen von Schulen aus zwei oder mehreren Ländern. In solchen Partnerschaften lernen sich die Schulen intensiv kennen und entwickeln über einen längeren Zeitraum partnerschaftlich Austauschangebote und verankern sie fest im Schulprogramm. In bestimmten Klassenstufen oder -profilen finden dann regelmäßig Besuche und Gegenbesuche von Klassen oder Lerngruppen der Partnerschulen statt. Austausch und Begegnungen sind dann besonders intensiv und fruchtbar, wenn sie mit einem Projekt verbunden sind, die Schülerinnen und Schüler gemeinsam etwas erarbeiten und in die Projektgestaltung aktiv eingebunden sind.  

Erstellen eines Puzzle-Teils

Schulische Austausche finden jedoch auch außerhalb fester Schulpartnerschaften statt, etwa bei einer einmaligen Zusammenarbeit einzelner Schulen oder in Form von mehrjährigen, aber nicht auf Dauer angelegten Kooperationen, z.B. im Rahmen des Programms Erasmus+. Auch hier gelingen Austausche eher, wenn sie als gemeinsame Projektarbeit angelegt sind, bei der die Schülerinnen und Schüler sich mitgestaltend einbringen können.  

Oftmals sind Begegnungen von Schülerinnen und Schülern nicht die einzige Form der Zusammenarbeit im Rahmen von Schulpartnerschaften oder multilateralen Bildungskooperationen. Diese haben für eine Schule gerade dann eine besondere Bedeutung, wenn es auch regelmäßigen Austausch zwischen Lehr- und Fachkräften oder Schulleitungen gibt.  

Bei einer Begegnung machen viele der Teilnehmenden erstmals internationale Austauscherfahrungen und treten in Kontakt mit Gleichaltrigen aus anderen Ländern. Auch wenn viele schon vorher im Ausland waren, etwa mit den Eltern, müssen sich die Schülerinnen und Schüler doch bei einer Begegnung mit der Partnerschule auf Neues einlassen. Hinzu kommt der Kontakt mit einer anderen Kultur, die Erfahrung von Fremdheit und Erkenntnisse über das Eigene. Ein schulischer Austausch ermöglicht es, dies in einer geschützten Umgebung zu tun, gemeinsam mit Mitschülerinnen und Mitschülern, Freunden sowie Lehrerinnen und Lehrern.  

Nicht zuletzt bringt ein internationales schulisches Austauschprojekt ganz neue Formen des Lernens und der Interaktion. Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer lernen sich von einer ganz anderen Seite kennen und machen gemeinsam bedeutsame Erfahrungen. Einzelne können mit bisher verborgenen Fähigkeiten hervortreten. So können z.B. Jugendliche mit russischer Muttersprache bei der Verständigung der Gruppen unterstützen, obwohl ihre Herkunft bisher eher Nachteile in der Schule oder in der Gruppe mit sich brachte.

Um diese Situationen positiv zu nutzen, sind eine sinnvolle Programmgestaltung unter Beteiligung aller Teilnehmenden und eine gute pädagogische Begleitung sehr wichtig. Gelingt er, bietet ein schulischer Austausch jungen Menschen die Möglichkeit, sich auszuprobieren und an sich selbst unbekannte Fähigkeiten zu entdecken. Eine Begegnung wird dann zu einer prägenden Erfahrung, mitunter fürs Leben. Oftmals werden hier die Grundlagen für das Interesse an anderen Ländern oder bestimmten Themen gelegt. So kann die Teilnahme an einem kurzfristigen Austausch Schülerinnen und Schüler ermutigen, sich auch für einen längerfristigen und individuellen Gastschulaufenthalt im Ausland zu interessieren und weitere Gelegenheiten für Auslandsaufenthalte zu nutzen.  

 

Bernd Böttcher ist Projektkoordinator der Initiative „Austausch macht Schule“. 

Wissenswertes:

zu Austausch macht Schule:

Die Initiative setzt sich dafür ein, allen Kindern und Jugendlichen – unabhängig von Geschlecht, Religion, Herkunft, körperlichen und geistigen Fähigkeiten, sozialen und ökonomischen Voraussetzungen – die Teilnahme an Austauschprogrammen zu ermöglichen. Internationaler Schüleraustausch soll als wertvoller, wesentlicher „Bildungsort“ im Bildungssystem nachhaltig verankert werden.