Grundlagen zum deutsch-russischen Jugendaustausch:
Forschung - Formen - Methoden

Auslandsaufenthalte in der Berufsausbildung

Stefan Metzdorf und Nathalie Schnabel

Junge Menschen in Ausbildung nutzen internationale Bildungsangebote immer noch in deutlich geringerem Umfang als Studierende. Dadurch entgehen ihnen entscheidende Orientierungs-, Entwicklungs- und Qualifizierungschancen. Dabei gibt es gute Fördermöglichkeiten.

Der Anteil der Auszubildenden mit Auslandserfahrung liegt nach Hochrechnungen der Nationalen Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung (NA beim BIBB) im Abschlussjahrgang 2019 bei etwa sieben Prozent. Bereits im Jahr 2013 hatte der Deutsche Bundestag empfohlen, dass im Jahr 2020 mindestens zehn Prozent der Auszubildenden im Laufe ihrer Ausbildung Auslandserfahrung sammeln sollten. Das Corona-Jahr 2020 hat den positiven Trend zunächst gestoppt. Lernaufenthalte konnten aufgrund von Reisewarnungen und Reisebeschränkungen kaum stattfinden. Dennoch gibt es Grund zur Hoffnung: So ist das Interesse an Auslandsaufenthalten weiterhin groß, was u.a. die hohen Beteiligungen an Informationsveranstaltungen zu den Förderprogrammen Erasmus+ und AusbildungWeltweit der NA beim BIBB zeigen. Das Förderprogramm Erasmus+ der Europäischen Union, das nationale Förderprogramm AusbildungWeltweit des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und die Angebote der Stiftung DRJA bieten breite Finanzierungsmöglichkeiten, um Auszubildenden Auslandsaufenthalte in der Berufsausbildung zu ermöglichen. Gerade erst wurde die neue Programmgeneration Erasmus+ 2021-2027 eröffnet, wobei das Budget von der EU nochmals aufgestockt wurde. 

Insbesondere das Programm Erasmus+ hat in den letzten Jahren zu einer Erhöhung der Auslandsmobilität von Auszubildenden beigetragen. So fanden bisher mehr als die Hälfte der ausbildungsbezogenen Auslandsaufenthalte mit dem europäischen Bildungsprogramm statt, was auch zur Stärkung eines europäischen Zugehörigkeitsgefühls beiträgt. AusbildungWeltweit ergänzt das Portfolio der Finanzierungsstrukturen seit 2017 (zunächst als Pilotphase, seit 2019 als reguläres Förderprogramm) – seitdem ermöglicht das Programm geförderte Auslandsaufenthalte Auszubildender aus Deutschland rund um den Globus, darunter in Russland. Die Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch ergänzt diese Angebote durch die Förderung deutsch-russischer Begegnungen in Deutschland.

Jugendliche bei der gemeinsamen Arbeit an einer Rohrverbindung

Ausbildungsbezogene Russland-Aufenthalte

Für Lernaufenthalte in Ländern außerhalb der EU wie etwa der Russischen Föderation standen Fördermittel bis zur Initiierung des Förderprogramms AusbildungWeltweit nur begrenzt zur Verfügung. Angesichts der großen Bedeutung für den Außenhandel sollte der Erwerb von Russland-Kompetenz in der Ausbildung eigentlich keine Seltenheit sein. Auch die russische Sprache spielt als internationale Geschäftssprache eine herausragende Rolle. Jedoch hatten laut einer Mobilitätsstudie der NA beim BIBB im Abschlussjahrgang 2017 nur etwa 60 angehende Fachleute (0,2 Prozent der Absolventinnen und Absolventen) Gelegenheit, im Laufe ihrer Ausbildung Russland-Erfahrung zu sammeln. Die überwiegende Zahl dieser Aufenthalte konnte mit Unterstützung der Stiftung Deutsch Russischer Jugendaustausch von den schulischen Lernorten realisiert werden. Vor allem entwickelten sich stabile deutsch-russische Berufsschulpartnerschaften – teils eingebettet in Städte- und Regionalpartnerschaften. Sie sind ein wichtiger Ausgangspunkt für eine Ausweitung der Aktivitäten in der Berufsbildung. AusbildungWeltweit eröffnet hier nun neue Perspektiven. Im Januar 2020 wurde der Kreis der förderfähigen Einrichtungen bei AusbildungWeltweit um berufliche Schulen erweitert. Somit erreicht die Förderung nun alle Auszubildenden in nach Bundes- oder Landesrecht geregelter Erstausbildung. 

Persönliche Stärkung und berufliche Qualifizierung

Auslandsaufenthalte steigern nicht nur die Attraktivität der Berufsbildung insgesamt, sondern ermöglichen den Teilnehmenden auch, ihre persönlichen und beruflichen Kompetenzen entscheidend auszubauen. Somit bietet ein Auslandsaufenthalt während der Ausbildung einen Mehrwert für alle Akteure: die Auszubildenden, die Betriebe und die beruflichen Schulen.  

Auszubildende können von einem Auslandsaufenthalt breit gefächert profitieren: So fördert ein Lernaufenthalt in der betrieblichen Praxis eines anderen Landes nicht nur die Persönlichkeitsentwicklung und Unvoreingenommenheit im Umgang mit anderskulturellen Personen, sondern auch die berufsbezogenen Fremdsprachenkenntnisse werden deutlich erweitert. Dies kann ein Türöffner für spätere Fortbildungsmöglichkeiten sein. Weil im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung auch immer mehr kleine und mittlere Unternehmen ihre Waren und Dienstleistungen in anderen Ländern anbieten, übernehmen ausgebildete Fachkräfte zunehmend internationale Arbeitsaufgaben. Ausbildungsbezogene Auslandsaufenthalte sind deshalb auch echte Qualifizierungsmaßnahmen, wenn sie angehende Fachkräfte befähigen, ausländische Kundschaft zu betreuen oder erfolgreich in internationalen Projektteams mitzuarbeiten. Hinzu kommt der Erwerb von Kenntnissen internationaler Geschäftspraktiken, Normen und Standards oder die Erweiterung handwerklicher Fertigkeiten. Ein Wandel der Qualifikationsanforderungen in Richtung Internationalität zeigt sich auch an der wachsenden Bedeutung der Fremdsprachennutzung an den Arbeitsplätzen. Somit lässt sich festhalten, dass die zu erwartenden Kompetenzerweiterungen durch Auslandsaufenthalte in der Berufsbildung enorm sind.  

Sprechfähige Brückenpersonen

Berufsschullehrkräfte und Ausbildungsverantwortliche spielen eine Schlüsselrolle bei der Begleitung und Umsetzung internationaler Ausbildungsaktivitäten. Wünschenswert wäre, dass sie internationale Angebote künftig noch stärker in berufliche Schulen, ausbildende Betriebe und andere Einrichtungen der Berufsbildung hineintragen und Jugendliche zu einem Lernaufenthalt im Ausland ermutigen. Durch eine gemeinsame Anstrengung soll die Auslandsmobilität in der Berufsausbildung nach der Corona-Zeit wieder angekurbelt und an die ehrgeizigen Ziele vor der Pandemie angeknüpft werden. Die NA beim BIBB und die jeweiligen Förderprogramme bieten hierzu ein umfassendes Beratungsangebot mit regelmäßigen Informationsveranstaltungen. 

 

Stefan Metzdorf leitet das Team AusbildungWeltweit in der Nationalen Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung (NA beim BIBB).

Nathalie Schnabel ist als Wissenschaftliche Mitarbeiterin zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit von AusbilungWeltweit.

Wie können ausbildungsbezogene Auslandsaufenthalte aussehen?

Weiterführende Links:

Gut zu wissen:

Ausbildungsabschnitte im Ausland gelten laut Berufsbildungsgesetz als Teil der Berufsausbildung. Ein Auslandspraktikum ist somit Ausbildungszeit, die Vergütung wird weitergezahlt.